Room 28 Blog. Hannelore Brenner
2. Juni 2021
Ein Beitrag von Bettina P. Oesten, Dänemark

Pit Goldschmidt, geb. am 18. November 1935 in Hamburg,
ist in der Nacht zum 31. Mai 2021 in Hamburg verstorben.
Aus aktuellem Anlass veröffentliche ich einen Beitrag, den Bettina P. Oesten, Mitglied von Room 28 e.V., für die dänische Lokalzeitung "Nordschleswiger" anlässlich des Holocaust-Gedenktages 2019 schrieb. Er erschien am 26. Januar 2019. Pit Goldschmidt
war im April 2009 auf Einladung von Room 28 e.V. in Berlin zu Gast.
„Der Antisemitismus ist das Gerücht über den Juden“
Anlässlich des Internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Holocaust am 27. Januar sprach der Nordschleswiger in Hamburg mit dem Holocaust-Überlebenden Pit Goldschmidt über den wiedererstarkenden Antisemitismus unserer Zeit und darüber, wie man ihm begegnen sollte . Von Bettina P. Oesten
Hamburg. Man nennt ihn den ältesten Hass Europas. Den Antisemitismus. Bekannte Persönlichkeiten haben ihn offen propagiert, angefangen bei Luther, der mit brutalen Gewaltaufrufen gegen Juden hetzte, über Martin Heidegger, der von „der Verjudung unserer Kultur und Universitäten“ sprach, bis hin zu AfD-Chef Alexander Gauland, der in einer Rede das Nazi-Regime als „Vogelschiss“ der Geschichte abtat. In Deutschland werden Menschen jüdischen Glaubens heute wieder auf offener Straße von Passanten übel beschimpft und bedroht oder wird in den sozialen Medien völlig enthemmt gegen sie agitiert. In Frankreich, dem Land mit der größten jüdischen Gemeinde Europas, entscheiden sich immer mehr Juden für die Auswanderung. Und ausgerechnet in Dänemark, einem Land, das 1943 mehrere Tausend Juden zur Flucht nach Schweden verhalf, haben viele mittlerweile Angst davor, sich öffentlich als gläubige Juden zu erkennen zu geben.
Ich kann es keinem Menschen zumuten, sich das, was ich zu erzählen hätte, anzuhören.
Als Sohn einer bekannten jüdischen Bankiersfamilie kommt er 1935 in Hamburg zur Welt. Nur wenige Monate alt wird er von seinen Eltern getrennt, verbringt viele Jahre in einem katholischen Kinderheim in München, findet sich irgendwann allein auf der Straße und zweimal im Konzentrationslager Dachau wieder, während sein Vater und drei Halbschwestern in Auschwitz und seine Mutter in Theresienstadt ums Überleben kämpfen. Er und seine Eltern kommen wie durch ein Wunder mit dem Leben davon, seine Halbschwestern nicht. Über seine Erlebnisse in Dachau schweigt er sich größtenteils aus, nur so viel hat er mir über die Jahre verraten: Deutsche KZ-Ärzte nahmen im Häftlingslazarett an ihm medizinische Versuche vor, an deren Spätfolgen er noch heute leidet. Unzählige Operationen musste der 84-Jährige deshalb über sich ergehen lassen, weitere stehen in Aussicht.
"Der Holocaust bleibt ein Leben lang eine zentnerschwere Last.
Umso mehr bereitet es mir Sorgen, dass Europa wieder in den Totalitarismus abzudriften droht, siehe Polen, siehe Ungarn",
so Pit Goldschmidt.
"Was dort geschieht, das wünscht sich die AfD für Deutschland auch. Vor allem wünscht sich die AfD eines: Macht, Macht, Macht. Die Zerrissenheit der Altparteien bietet dazu genügend Gelegenheit. In ihrem Machtbestreben machen Leute wie Alexander Gauland und Björn Höcke mal eben so im Handumdrehen den Antisemitismus wieder salonfähig, indem der eine die zwölf Jahre Nazi-Terrorherrschaft als ‚Vogelschiss in der tausendjährigen erfolgreichen deutschen Geschichte‘ bezeichnet und der andere das Holocaust-Mahnmal in Berlin ‚Denkmal der Schande‘ nennt, von ‚dämlicher Bewältigungspolitik‘ spricht und sagt, Deutschland brauche keine toten Riten mehr.
Wenn solche Sätze fallen, gibt es immer einen Aufschrei der sogenannten Anständigen. Den gab es auch, als der Schriftsteller Martin Walser von der ‚Moralkeule Auschwitz‘ sprach oder der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi in einer Spiegel-Ausgabe meinte, Juden würden aus dem schlechten Gewissen der Deutschen eigene Vorteile schlagen und es missbrauchen, ja manipulieren. Aus solchen Sätzen, ausgesprochen von gebildeten Leuten, spricht immer auch Antisemitismus. Aufschrei hin oder her, der Antisemitismus schwelt immer unter der Oberfläche, und ist er auch noch so subtil.“
Im Grunde würden solche Beispiele zeigen, dass der Holocaust und die Nazizeit in Deutschland bis in die Mitte der Gesellschaft hinein nie restlos aufgearbeitet worden seien, so der gelernte Außenhandelskaufmann weiter. Und das trotz Entnazifizierung, trotz aller ernsthaften Ansätze der Vergangenheitsbewältigung, trotz Endlos-Sendereihen wie ZDF-History über den Nationalsozialismus, die zwar gut und wichtig seien, aber oft zu nachtschlafender Zeit ausgestrahlt würden. Wer bliebe schon so lange wach, um sich die Gräueltaten der Nazischergen anzusehen? Jugendliche, die daraus eine Lehre für die Zukunft ziehen könnten, bestimmt nicht. Die Lehre etwa, dass nur die Erinnerung an Kriege den Frieden zu bewahren helfe. Vor diesem Hintergrund sei es nicht verwunderlich, dass der latent vorhandene Antisemitismus immer wieder seine hässliche Fratze in der Öffentlichkeit zeige, nicht zuletzt befeuert durch geistige Brandstifter und Provokateure wie Gauland, Höcke und Konsorten.
Der Antisemitismus ist das Gerücht über den Juden.
Das Lokal füllt sich immer mehr mit Gästen, die sich fröstelnd und händereibend zu ihren vorbestellten Tischen führen lassen. Es ist kalt in Hamburg. Der Geräuschpegel steigt, am Nachbartisch wird gescherzt und laut gelacht, das macht die Unterhaltung nicht einfacher. Wir befinden uns zum Glück in einem geschützten öffentlichen Raum, in dem mein Gegenüber nichts zu befürchten hat.
Merkwürdig, dass mir überhaupt der Gedanke kommt, er könnte Übergriffen, egal welcher Art, ausgesetzt sein. Es ist doch alles gut – hier beim Griechen an der Alster. Außerdem: Er ist kein Nutzer der sozialen Medien wie Facebook, wenigstens bleiben ihm so die anti-jüdischen Hassparolen und Schmähungen erspart, die heute völlig ungeniert dort skandiert werden: „Niemand schützt euch, ihr werdet alle in der Gaskammer landen“, „Stecht die Juden ab“, „Scheiß Jude!“ „Wir brauchen Hitler!“, „KZ öffnen“ sind nur einige Beispiele von vielen, die aufzeigen, dass bei dem Thema jegliche Schamgrenzen und Hemmschwellen gefallen sind.
Im Zentrum des Social-Media-Antisemitismus stehen meist wilde Gerüchte oder verworrene Theorien von der „jüdischen Weltverschwörung“. Gerüchte, die sich umso hartnäckiger halten, je unwahrscheinlicher sie sind. „Der Antisemitismus ist das Gerücht über den Juden.“
Der Satz stammt von Theodor W. Adorno.
Gerüchte über Juden machten zu
allen Zeiten die Runde. Im Mittelalter waren sie Gottesmörder, Brunnenvergifter, Hostienschänder. Heutzutage werfen ihnen Verschwörungstheoretiker z. B. vor, als Drahtzieher hinter der weltweiten Finanzkrise oder den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zu stecken. Bei negativen Fehlentwicklungen und immer dann, wenn das Gefühl von unheimlichen Mächten auftaucht oder vorherrscht, werden die Vorurteile oder der Hass gegen sie geschürt, werden die Verbrechen gegen sie geleugnet. Ich werde mich davor hüten, ihm gegenüber die Parolen aus dem Internet zu zitieren. Ich glaube, es ist besser so.
Nach dem Essen einigen wir uns darauf, das Gespräch abzubrechen und es am darauffolgenden Nachmittag in ruhiger Umgebung fortzusetzen. Er braucht eine Verschnaufpause.
Wer weiß schon, ob ich morgen noch da bin.
Am nächsten Tag steigt er zur verabredeten Zeit aus dem Taxi, untergehakt gehen wir zum Steakhouse in der Hafencity, wo um diese Zeit noch wenig Betrieb ist. Er hat schlecht geschlafen, hatte mehrere Stunden lang Schüttelfrost. Sind es unsere Gespräche? Ja, wahrscheinlich. Aber ich soll mir keine Vorwürfe machen. Das sei immer so, wenn er sich intensiv mit dem Thema befasse. Eigentlich vergehe kein Tag, wo er nicht mit dem Thema in der einen oder anderen Weise konfrontiert sei, unser intensiver Austausch ginge ihm aber schon sehr unter die Haut. Lieber abbrechen? „Nein“, sagt er, „wir ziehen das jetzt eisern durch. Wer weiß schon, ob ich morgen noch da bin.“
Er bestellt sich ein saftiges Steak, dazu Pommes und Salat. Eigentlich viel zu viel für ihn, meint er, aber Zuhause hat er keine Lust zu kochen. Seine 97-jährige Nachbarin, fit wie ein Turnschuh, erhält ihn am Leben, kocht für ihn mit, klingelte zuletzt heute Vormittag an seine Haustür, um ihm ein warmes Müsli zu bringen. Sein Schmunzeln geht in ein breites Lachen über. Er lacht oft und gern und viel.
„Die Juden wurden schon immer verfolgt, die jüdische Urangst sitzt ganz tief. Kein Jude möchte das, was im Dritten Reich passiert ist, nochmal erleben. Niemals. Wer nicht Verfolgung am eigenen Leib erfahren hat, wird es nur schwer verstehen.“
Wir sind wieder bei unserem Thema. Antisemitismus. Wie begegnet man ihr, der Judenfeindlichkeit unserer Tage, möchte ich von ihm wissen? Mit Verboten? Sollte man sie unter Strafe stellen, so wie z. B. die Leugnung des Holocaust in vielen Ländern Europas, darunter allen deutschsprachigen, unter Strafe gestellt ist?
Nein, auf keinen Fall, meint er entschieden. Man sollte den Antisemitismus nicht unter Strafe stellen, weil dann der Raum für freie Diskussion eingeschränkt würde. Und ohne öffentliche Diskussion könnte sich heimlich, still und leise etwas entwickeln oder zusammenbrauen, was die Öffentlichkeit zunächst gar nicht mitbekomme und was sich letztlich negativ auf die Gesellschaft auswirken könne. Auch die Diskussion – oder der Versuch eines Dialogs – mit Menschen, die uneinsichtig seien und auf ihre Ansichten beharrten, und seien diese auch noch so abwegig, gehöre dazu.
Wir müssen alle aufstehen, klare Kante zeigen, uns einmischen
„Ich erzähle dir mal ein Beispiel. Einmal saß ich mit meiner damaligen Freundin in einem Restaurant. Am Nebentisch saßen vier Herren, die über Ausländer und schließlich auch über Juden herzogen. Meine Freundin stieß mich die ganze Zeit an und meinte, ich sollte mich auf keinen Fall einmischen. Sie kannte ja mein Temperament. Ich stand aber auf und bin zu den Herren hingegangen, sprach sie an, sagte, ich hätte ihr Gespräch mitbekommen, das hätte sich gar nicht vermeiden lassen. Ich hätte dazu eine Frage, und zwar diese: Wer von Ihnen, meine Herren, ist vor Ihrer Geburt gefragt worden, ob er Deutscher, Engländer, Russe, ob er weiß, gelb, schwarz, ob er Jude, Christ oder Muslim sein möchte.
Dann habe ich noch so ein paar Sachen gesagt, und da konnten sie einfach nicht drauf antworten. Sie haben sich auf keine Diskussion eingelassen, sie haben einfach geschwiegen. Du glaubst gar nicht, wie schön das war. Plötzlich war da Ruhe. Was sie hinterher gesagt haben, weiß ich nicht. Interessierte mich auch nicht. In unserer Gegenwart haben sie jedenfalls keine anti-jüdischen Sprüche mehr geklopft. Nur das hat mich interessiert. Wie hätte ich mich als Jude in der Situation anders verhalten sollen? Für mich war das ganz selbstverständlich. Es sollte aber nicht nur für mich selbstverständlich sein. Wir müssen alle aufstehen, klare Kante zeigen, uns einmischen, wenn es die Situation von uns erfordert. Das sind wir uns selbst und unseren Mitmenschen schuldig.“
Das Steak hat er inzwischen allein verputzt, bei den Pommes darf ich ihm ein bisschen helfen. Er lacht und schiebt den Teller in meine Richtung. „Komm, min Deern, dass du mir ja nicht hungrig nach Hause gehst.“ Nie ist er um einen auflockernden Satz oder Scherz zwischen den schweren Fragen verlegen. Er hat mir immer wieder gezeigt, was es heißt, Haltung und Würde zu bewahren. Auch heute.
Er war nur wenige Monate alt, als ihn seine Eltern kurz nach Erlassung der Nürnberger Rassengesetze zu seinem eigenen Schutz in ein katholisches Kinderheim nach Bayern brachten. Dort sollte er die nächsten Jahre in Sicherheit verbringen, durch unglückliche Umstände kam er dennoch mit acht Jahren zweimal ins Häftlingslazarett nach Dachau und erlebte dort etwas, was er seitdem nicht, oder nur in winzigen Bruchstücken, hat aussprechen können. Medizinische Versuche – aber was das für Versuche waren, darüber kann oder möchte er nicht sprechen. Aus Rücksicht auf seine Zuhörer.
"Ich kann es keinem Menschen zumuten, sich das, was er zu erzählen hätte, anzuhören",
sagt er und ringt einen Moment um Fassung.
Pits Eltern - für ihn sind sie Fremde
Zwei Jahre nach dem Krieg lernt er als Zwölfjähriger die letzten fünf Verwandten kennen, die Theresienstadt und Auschwitz überlebt haben, darunter seine Eltern. Für ihn sind sie alle Fremde, er hat sie nie zuvor gesehen. Er muss mit Menschen zusammenleben, die mit ihren Leidensgeschichten und Traumata unfähig sind, sich untereinander auszutauschen. Es herrscht Fassungs- und Sprachlosigkeit – die bis heute anhält. *
ZITATE:
„Wir müssen alle aufstehen, klare Kante zeigen, uns einmischen, wenn es die Situation von uns erfordert. Das sind wir uns selbst und unseren Mitmenschen schuldig“
Pit Goldschmidt, Holocaust-Überlebender
„Die Juden wurden schon immer verfolgt, die jüdische Urangst sitzt ganz tief. Kein Jude möchte das, was im Dritten Reich passiert ist, nochmal erleben. Niemals.“
Pit Goldschmidt, Holocaust-Überlebender
FOTO:
Der 84-jährige Holocaust-Überlebende Pit Goldschmidt gab vergangene Woche dem Nordschleswiger ein exklusives Interview in Hamburg.
Mit Dank an die Redaktion des Nordschleswiger,
die die Veröffentlichung ebenfalls autorisierte und eine PDF Datei zur Verfügung stellt.
* Anmerkung HB:
Die Eltern von Pit Goldschmidt waren Käthe Starke und Martin Starke. Käthe Starke wurde 1943 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Ihre Erlebnisse dokumentierte sie u.a. in dem Buch, genannt nach dem Propagandafilm: "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt". Mehr unter: Käthe Starke-Goldschmidt
und Martin Starke
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Blog von Hannelore Brenner

Sie war die Seele unseres Erinnerungsprojektes: Anna Hanusová, geb. Flachová, unsere "Flaška", hat gemeinsam mit ihrer Freundin Helga Pollak-Kinsky das Erinnerungsprojekt ins Leben gerufen. Und sie organisierte die ersten Treffen in Spindlermühle ab September 1998. Was waren dies für unvergessliche Jahre !!! Angeregt dazu haben Helgas Tagebuch und Flaškas Poesiealbum und der Wunsch, gemeinsam an die Freundinnen zu erinnern, die mit ihnen im Zimmer 28 lebten bis sie auf Transport gehen mussten. Die meistenn sind in Auschwitz oder in Bergen-Belsen umgekommen. Vom Schicksal dieser Mädchen erzählt das Buch und die Ausstellung "Die Mädchen von Zimmer 28". Für ihr außerordentliches Engagement, vor allem im Dialog mit jungen Menschen, wurde sie am 5. Juni 2013 mit dem Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Der Festakt fand in der Deutschen Botschaft in Prag im kleinen Kreis statt. Flaška war voller Herzlichkeit, Humor, überschäumender Vitalität. Am 30. April 2014 hat uns Anna Hanusová verlassen. Ich werde sie nie vergessen. Die Liebe, die sie verströmte, lebt und wirkt weiter.

Fünf Jahre ist es her. Am Morgen des 14. November 2020 erfuhr ich von Helgas Sohn Eric, was in der Nacht vom 13. auf den 14. November geschehen war. Absolut unerwartet. Plötzlich. Helga war von uns gegangen. Erschütterung. Da brach etwas zusammen. Sie ist mir doch so nah – auch heute noch! Wie die Zeit vergeht. Wie viele Jahre haben wir uns gekannt seit jenem Tag im September 1996 in Prag, als ich Helga zum ersten Mal traf, auch ihre Freundin Flaška? Als ich kurz darauf nach Brünn und dann nach Wien fuhr und eine Reise begann, die für mich noch immer andauert, eine Reise, die kein Ende zu kennen scheint und weitergeht, auch jetzt noch, 29 Jahre später... Was ist da geschehen? Was haben wir gemeinsam erlebt in all den Jahren, in denen wir uns verbündeten, um ein bleibendes Gedenken zu schaffen? Was ist daraus geworden? Was ist davon geblieben? Ich denke an die jährlichen Treffen in Spindlermühle im Riesengebirge ab 1998. An die ersten vom Droemer Verlag organisierten Präsentationen des Buches Die Mädchen von Zimmer 28 mit dir und Flaška – in Leipzig, Berlin, Frankfurt und München. An die Ausstellungseröffnung im September 2004 in Schwerin und die vielen Einladungen, die folgten. Lesungen. Brundibár-Aufführungen. Zeitzeugengespräche. Gedenkveranstaltungen. Schulbesuche. Projekte. Und immer wieder Ausstellungen. Und viele viele Reisen.

Mit Entsetzen verfolge ich das Zeitgeschehen. Furchtbar und unfassbar das Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023. Furchtbar und unfassbar, was danach geschah und bis heute geschieht. Islamisch geprägter Antisemitismus und Antizionismus verbinden sich seither in Deutschland, Europa und weltweit mit Antisemitismus aller Couleurs zu einem giftigen explosiven Gemisch, das sich die Zerstörung Israels auf die Fahne geschrieben hat. Gewiss: Zwischen diesem "giftigen Gemisch" und Kritik an Netanjahus Antwort auf das Massaker vom 7. Oktober muss unterschieden werden. Was die in Israel lebende letzte Zeitzeugin der Gruppe der "Mädchen von Zimmer 28" Handa Drori über das Ziel unseres Erinnerungsprojektes schrieb, ist nicht nur an die Deutschen gerichtet. Als eines der Mädchen vom ‚Achtundzwanziger‘– so haben wir damals unser Zimmer genannt – hoffe ich, dass unser Projekt sein Ziel erreicht. Für uns ist dies aus zwei Gründen wichtig: Zum einen, damit die Mädchen, die mit uns im Zimmer 28 gelebt haben und aus den Konzentrationslagern nicht zurück gekommen sind, nicht vergessen werden. Zum anderen als Mahnung für die nächsten Generationen und als Beispiel dafür, wie leicht ein neuer Holocaust geschehen könnte, wenn gutwillige Menschen zu gleichgültig sind und es hasserfüllten Fanatikern erlauben, an die Macht zu kommen. Keiner meiner israelischen Freunde jubelt über die Politik Netanjahus. Es herrscht Fassungslosigkeit und Ratlosigkeit, es gibt Proteste, Demonstrationen, Widerstand. Sie wünschen sich nur eines: Dass die Geiseln befreit werden, dass der Krieg zu Ende geht und endlich Frieden einkehrt - für alle. Den Weg dorthin, wer kennt ihn? Furchtbar und unfassbar, dass der mörderische Hass und Terror der Hamas weltweit so viel Zuspruch findet und in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen ist, sie radikalisiert und aus den Angeln zu heben droht. Die Feinde Israels schüren das Feuer, machen jüdische Menschen auf der ganzen Welt dafür verantwortlich, dass es zu einem schrecklichen Krieg in Gaza kam. Niemand hat nach 7. Oktober pauschal PalästinenserInnen oder Menschen mit Wurzeln in Palästina, ob sie nun einen deutschen, französischen oder amerikanischen Pass haben, für das Massaker am 7. Oktober 2023 verantwortlich gemacht. Da bleibt die kollektive Schuldzuweisung, die Sippenhaft aus. Es gibt keinen "Anti-Palästinenzismus". Aber Antisemitismus gibt es. Immer noch. Auch in Deutschland - trotz gründlicher deutscher Aufarbeitung der Geschichte. Trotz gründlicher gut gemeinter Holocaust-Erinnerungskultur. In Sorge denke ich an meine jungen jüdischen Freunde, die in Deutschland leben. Und ich denke an "Die Mädchen von Zimmer 28"- wie würde es ihnen heute ergehen? Was würden sie mir sagen???? Ich höre ihre Stimmen, es wühlt mich auf... Und schmerzt mich zu Tränen.

Die Edition Room 28 und der Verein Room 28 haben aktuell eine Projekt-Partnerschaft mit der J-Arteck Jugendbildungsstätte in Berlin. Das Projekt ist mit unserem Brundibár. Lese- und Geschenkprojekt für Kinder verbunden, über das der Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper in München und Chefdirigent & Künstlerischer Leiter des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin (RSB) Vladimir Jurowski die Schirmherrschaft übernommen hat. Die hebräische und ukrainische Ausgabe des Kinderbuches Brundibár. Wie Aninka und Pepíček den Leierkastenmann besiegten gaben den Anlass dafür, dass das Thema "Brundibár" für das diesjährige Kreativ-Summer Camp aufgegriffen wurde und im Mittelpunkt stehen wird. Denn bei diesem Camp unter dem Motto " Discover. Create. Perform" nehmen immer auch israelische und ukrainische Jugendliche teil. Diese können erstmals die Geschichte, die der Kinderoper zugrundeliegt, in ihrer Sprache lesen. Vom 5.- 8. Juli 2025 findet im Domizil der J-Arteck-Jugendbildungsstätte in Berlin eine vorbereitende Konferenz zum diesjährigen internationalen Summer Camp (11.-19. August) statt. Das Resultat der Workshops (Theater, Musik, Gesang, Bildende Kunst etc.) ist eine gemeinsame Performance, die am 18. August 2025 öffentlich in Berlin gezeigt wird. Zu dieser Konferenz laden wir, Room 28 e.V., den Opernregisseur Mstislav Pentkovsky aus Riga nach Berlin ein. Er inspirierte zur ukrainischen und hebräischen Ausgabe des Kinderbuches und zu unserem Geschenkprojekt. Dass wir diese Idee umsetzen konnten, ist dem Auswärtigen Amt zu danken, das die Produktion dieser beiden Ausgaben unterstützte. Warum? Weil Freundschaft, Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Solidarität die Quelle unserer Kraft ist. Und weil wir die Bücher im Zeichen der Solidarität im Rahmen von Veranstaltungen verschenken. Link zur J-Arteck-Jugendbildungsstätte und dem Summer-Camp 2025 Link zu unserem Brundibár-Projekt: www.room28.net/brundibar Gemeinsam mit Mstislav Pentkovsky stelle ich den internationalen TeilnehmerInnen der Konferenz die Kinderoper Brundibár , die Geschichte der ersten Aufführungen in Prag und Theresienstadt und das Brundibár-Kinderbuch vor; auch die Neuausgabe des alten Buches Die Mädchen von Zimmer 28. Denn die Geschichte dieser Mädchen ist auch die Geschichte der ersten Aufführungen von Brundibár im Ghetto Theresienstadt.

5. Juni 2025. Erschienen! Eine Freundschaft, die den Holocaust überdauerte, ein Zeugnis menschlicher Stärke und ein Vermächtnis, das nicht vergessen werden darf: Das Buch "Die Mädchen von Zimmer 28" kehrt in einer umfassend überarbeiteten und erweiterten Neuausgabe zurück. Es erzählt die bewegende Geschichte einer Gruppe jüdischer Kinder, die im Ghetto Theresienstadt zwischen 1942 und 1944 im Zimmer 28 des Mädchenheims L 410 zusammenlebten und zusammenhielten.

Heute am 28. Mai ist Helgas Geburtstag. Sie wäre 95 Jahre geworden. Ich denke sehr an sie, täglich, aber besonders heute. Denn an ihrem Geburtstag sollte ihr zu Ehren die Neuausgabe des Buches Die Mädchen von Zimmer 28 erscheinen. Leider, die Bücher sind noch bei der Druckerei, sie werden in wenigen Tagen ausgeliefert. Ich hätte Helga so gerne als erste ein Buch übergeben! Aber das ist nicht möglich. Sie ist vor fünf Jahren ganz plötzlich von uns gegangen. Unzählige Lesungen habe ich mit ihr seit 2004 an vielen Orten durchgeführt. Ich höre ihre Stimme, höre sie aus ihrem Tagebuch lesen und von ihren Freundinnen erzählen. Unsere Lesungen waren getragen von einem großen Freundeskreis, und einer großen Kraft. Heute undenkbar, denke ich. Die Zeiten haben sich grundlegend verändert. Skepsis und immer wieder Entsetzen ist dem Geist gewichen, der uns früher zu vielen Unternehmungen beflügelte. Schiller kommt mir in den Sinn. "Er ist dahin, der süße Glaube... der rauhen Wirklichkeit zum Raube..." und ich frage mich: Wenn ich schon am Zustand der Welt leide und verzweifle, um wie viel mehr würde Helga heute darunter leiden, verzweifeln????

Today I read a text on Linkedin. It was about wonderful Alice Herz-Sommer , the pianist, and it struck a chord in my heart, bringing back memories, especially of my my first visit to her in London. At that time, in 1996, I was working on a radio documentary about the children's opera "Brundibár" in Theresienstadt. I asked Alice for an interview and flew from Berlin to London to meet her. I sat with her, captivated by her engaging friendliness, openness, clarity of spirit, determination, and warmth. I was overwhelmed. I returned home feeling that I had experienced something unforgettable, something that will have a lasting impact on me. And it did. As part of my research into "Brundibár" in Theresienstadt, I met, I am grateful to say, some very wonderful people, survivors of the Holocaust, who would become very important to me both professionally and personally. What was so special about Alice was her curiosity, her sincere interest in her counterpart. During our conversation, she changed my journalistic approach and instead of me interviewing her, she started to inquire more and more about me, my life, my family, my daughter. I was deeply touched. Returning home, my soul vibrated with positive energy, or, what comes closer to the truth: It was filled with love. Yes, the author of the Linkedin text about Alice Herz-Sommer is right with every word: "Alice's life stands as as a powerful testament to the resilience of the human spirit - and to the profound, life-saving power of music in the face of unimaginable horror." She was a gifted pianist. And a truly exceptional strong, wonderful woman. There was but one thing that made me crinch - the KI created photo. omn LinkedIn. This prompted me to write this text. With it I feel, of course, compelled to draw your attention to the forthcoming new edition of the book "The Girls of Room 28" in which Alice tells about her son playing in the opera Brundibár, or what happened on November 11, 1943 when all ghetto-inmates had to gather in the "Kotlina" outside the ghetto. Alice also played a very special role in the life of one of the girls of Room 28, Anna Flachová, who has become a pianist because she heard Alice playing all the edudes of Chopin in the ghetto. I will never forget how Alice told me why and when she started to play these etudes in Prague, and never forget Alice's 100th birthday - I write about it in this BLOG: Flaska und Alice zum Gedenken You can hear Alices's voice, and see a photo with her and her son Raphael, on this menue of the website: Brundibár und die Mädchen von Zimmer 28 - Yes, to put a long story short: The author of the Linkin text isabsolutely right and I gladly and gratefully share his words: "Alice Herz-Sommer didn’t just survive the Holocaust—she transcended it through art, kindness, and unshakable hope. Her legacy continues to remind us that even in the bleakest places, beauty and spirit can still endure."

Eine Freundschaft, die den Holocaust überdauerte, ein Zeugnis menschlicher Stärke und ein Vermächtnis, das nicht vergessen werden darf: Das Buch » Die Mädchen von Zimmer 28 « erzählt die bewegende Geschichte jüdischer Kinder, die im Ghetto Theresienstadt zusammenlebten und zusammenhielten. Es erzählt auch von den ersten Aufführungen der Kinderoper »Brundibár« in Theresienstadt. – Ein Buch gegen Geschichtsvergessenheit und Antisemitismus und ein Plädoyer für Kunst, Kultur und Erziehung zur Menschlichkeit.

The story of the betrayal of European democracy by Trump & consorts, the perfidious attempt by Trump & Vance to blackmail the most courageous president I have ever seen in my life, marks – what? The downfall of the Western world? The decline of the US? The beginning of a new era of determined Democrats and a United Europe – or the contrary? An American movement strong enough to stop the monstrous ghosts – or the contrary? I do not know. However, what I have seen end of February was the dirtiest show that has ever been performed in the White House’s Oval Office in front of running cameras and direct worldwide transmission. Some say that Trump and consorts deliberately set up a trap for Selensky to get what they wanted and, if it didn't work, to expose their guest to ridicule and even accusations of being responsible for World War III. What a cynical outrageous allegation. I certainly wished Selensky would not have gone alone into the cave of the lion but with a strong European ally. Nonetheless, Selensky did not fall into a trap. He unmasked the trap and the trappers. I highly appreciate Selensky for being faithful to himself, to his country, to his allies and friends, and for his courage. Last year I published a book about the time before "The Girls of Room 28" were deported to the Theresienstadt ghetto. I wanted to shed light on the Historical Context of their childhood biographies and got increasingly caught up in the events in 1938/1939 in their homelands, Czechoslovakia, which I described in particular detail and vividly. The book is written mainly for teachers and students as part of the Room 28 Educational Project . I put words from Tomáš G. Masaryk , President of Czechoslovakia from 1918-1935 at the beginning of the book, as I realized the parallels with today: “I am a firm pacifist. (...) If I want peace, it does not mean that I would accept an attack without defending myself. On the contrary. I want peace in a practical, not utopian way: which means that in order to preserve peace, I summon all the forces of sagacity and love for the nation and humanity, but if necessary, all forces of defense." Source: Karel Čapek: Masaryk erzählt sein Leben. Gespräche mit Masaryk.

Mir ist, als ob die Vergangenheit, in die ich ab 1996 eingetaucht bin, um die Geschichte der "Mädchen von Zimmer 28" zu erzählen, als Gegenwart gewaltig wie ein Tsunami über mich hereinbricht. Und ich werde gewahr: Nichts hat sich seit 1945 in Deutschland und auf der Welt geändert - auf der einen Seite die Skrupellosen, denen es nur um Macht und ums eigene Ego geht, auf der anderen Seite Menschen, die sich als soziales Wesen begreifen, in denen ein menschliches Herz schlägt. Wie war das damals, 1938, als die Tschechoslowakei von seinen Verbündeten verlassen und verraten wurde? - Wer Geschichte kennt, weiß, was daraus folgte. Thomas Mann. Dieser Friede, 1938 " Die Geschichte des Verrats der europäischen Demokratie an der Tchechoslowakischen Republik , der Darbringung dieses der Demokratie verbundenen und auf sie vertrauenden Staates an den Fascismus, um ihn zu retten, ihn dauernd zu befestigen und sich seiner als eines Landsknechtes gegen Rußland und den Sozialismus zu bedienen, – diese Geschichte gehört zu den schmutzigsten Stücken, die je gespielt worden sind. (…) Erbarmungslos, ungerührt, von zehntausendfachem Menschenelend, von dem Seelenzustand einer tapferen und gläubigen Nation, die für ihre Freiheit und für die Freiheit überhaupt zu kämpfen bereit gewesen war, und von dem Schicksal des deutschen Volkes selbst, seiner geistigen und moralischen Zukunft, wurde dem Gestapo-Staat ein ungeheurer, ihn auf unabsehbare Zeit befestigender Erfolg zugeschanzt, die demokratische Festung im Osten, die Tschechoslowakische Republik vernichtet und bewusst zu einem geistig gebrochenen Anhängsel des Nationalsozialismus gemacht, die kontinentale Hegemonie Hitler-Deutschlands besiegelt, Europa in die Sklaverei verkauft. Das Entgelt war dieser Friede. (...) Wahrheit und Vernunft mögen im Äußersten unterdrückt sein für eine schwarze Weile - in uns bleiben sie ewig frei (...) im sicheren Bunde mit allen Besten.
