Lebenslauf auf einer Seite

Für Buchhändler: Verlags-Nummer: 5245445

Herausgeberin der Edition Room 28: Hannelore Brenner-Wonschick, Berlin


Lebenslauf auf einer Seite

Prag - Theresienstadt - Auschwitz-Birkenau - Leningrad


Edition Room 28, März 2016. Herausgegeben von Hannelore Brenner. Lektorat und Redaktion: Hannelore Brenner. 

Graphische Gestaltung: Walter Hagenow, Wiesbaden. Softcover, 143 Seiten. ISBN 978-3-00-051933-8

Nachruf

Evelina Merová, geb. Landová, geboren am 25. Dezember 1930 in Prag, eines der überlebenden "Mädchen von Zimmer 28", deren autobiographische Erinnerungen ich 2016 veröffentlichte, ist am 8. Februar 2024 in Prag von uns gegangen. 


"So viel Liebe und Zärtlichkeit"

Nachruf (deutsch): In Memoriam. Evelina Merová


Obituary: "So much Love and Tenderness"

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Aus dem Vorwort zum Buch

„Schreiben Sie einen Lebenslauf auf eine Seite“ – hieß es in den Aufnahmeformularen für die Shdanow-Universität in Leningrad, die ich ausfüllen musste, als ich mich im Jahre 1950 für ein Studium an der Fakultät für Philologie bewarb. Auch ein Fragebogen lag bei. Er enthielt drei für mich heikle Fragen: Wo sind Sie geboren? Welche Nationalität haben Sie? Waren Sie in deutscher Gefangenschaft oder unter deutscher Okkupation? 

Ich antwortete wahrheitsgemäß: Ich, Evelina Moissejewna Mer, wurde in Prag geboren. Ich bin Jüdin. Und: Ja. Ich war elf Jahre alt, als ich ‚unter deutsche Okkupation‘ geriet.

Was sollte ich aber nun in dem Lebenslauf schreiben? Auf eine Seite? -  Ich weiß noch, wie Bilder an mir vorüberzogen - meine glückliche Kinderzeit in Prag, das Leben im Ghetto Theresienstadt im Zimmer 28, das Familienlager Auschwitz-Birkenau, die Arbeitslager Stutthof, Dörbeck, Guttau, der Tod meiner Eltern, meiner Schwester und nächsten Verwandten, die Befreiung, die Begegnung mit Doktor Mer, das Kriegsende in Sysran, und das neue Leben in Leningrad…

Sollte ich darüber schreiben? Was sollte ich überhaupt schreiben? Ich ahnte ja, dass mein tatsächlicher Lebenslauf den Erwartungen der Kommission, die über meine Bewerbung zu entscheiden hatte, nicht entsprechen würde....

Foto: Evelina Mer, geb. Landová, um 1946 in Leningrad.

Erste Rezension von Helmut Wonschick

Helmut Wonschick, Fürstenberg, 31. März 2016

Poesie soll sein...

Der soeben erschienene "Lebenslauf auf einer Seite" von Evelina Merová liest sich wirklich wie eine Seite. Eine für mich überraschend "gute" Seite. Der tatsächlich 150 Seiten umfassende Lebensbericht von einer der überlebenden Mädchen aus dem "Room 28" erstreckt sich über ein Territorium von beachtlichen Ausmaßen: von Prag, ihrem Geburtsort, der "schönsten Stadt der Welt", ins unweit entfernte Nazi-KZ Theresienstadt und von dort in das damalige Ende der Welt, nach Auschwitz-Birkenau. Daß und wie sie dem grausamen Elend entkam, erzählt Evelina Merová, die nach 1945 in Leningrad landete, von einem sowjetischen Offizier adoptiert, in so schlichten Worten, daß einem dieser packende Bericht wirklich wie eine Seite vorkommt. - "Poesie soll sein, was in diesem Büchlein steht, Poesie soll alles sein, was in deinem Leben geschieht." Diesen Satz schrieb ihr Großvater 1940 in Evelinas Poesiealbum. Da war sie zehn Jahre alt. "Was in meinem Leben geschah, war keine Poesie", schreibt Evelina Merová zu Beginn ihres "Lebenslauf auf einer Seite".


Helmut Wonschick (1947-2021), Hörfunk-Autor und Künstler, schrieb diese Rezension unmittelbar nach Erscheinen des Buches.

Biografisches. Kindheit  1930-1945

Evelina Merová wurde am 25. Dezember 1930 als Evelina (genannt Eva) Landová in Prag geboren. Sie war acht Jahre alt, als mit dem Einmarsch der Deutschen in Prag am 15. März 1939 ihr Leben aus der Bahn geriet.  

Im Juli 1942 wurde sie ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort lebte sie bis zum Dezember 1943 im Zimmer 28, L 410, Theresienstadt. Sie gehört zu dem Kreis der Überlebenden von Zimmer 28, deren Geschichte mit dem Buch und der Ausstellung "Die Mädchen von Zimmer 28" international bekannt wurde.

im Dezember 1943 musste Evelina auf Transport. Sie kam nach Auschwitz-Birkenau. Dort lebte sie über ein halbes Jahr in dem von Fredy Hirsch organisierten Kinderblock im Familienlager. Im Juli 1944 kam sie durch die letzte Selektion. Sie überstand das Martyrium, das folgte - Stutthof, Dörbeck, Guttau. In Guttau erlebte sie die Befreiung. Im Militärlazarett in Deutsch-Eylau erholte sie sich von ihren schweren Verwundungen. Im Sanitätszug nach Sysran lernte sie den russische Militärarzt Dr. Mer kennen -eine schicksalshafte Begegnung. Denn als er verstand, dass Eva ihre ganze Familie verloren hatte, bot er ihr ein neues Zuhause an - in Leningrad. Dort begann am 1. September 1945 für Evelina ein neues Leben, als Adoptivtochter des Ehepaars Mer. Foto: Evelina Landa um 1940 © Privatbesitz Evelina Merová

Biografisches. Neue Identität. Leningrad. /St. Petersburg

Damit hört Evelinas Geschichte nicht auf. "Die kleinen Siege" – so nennt sie den  zweiten Teil ihrer autobiografischen Erinnerungen, im Gegensatz zum ersten Teil, den sie "Die großen Niederlagen" überschreibt. Das Leben in einem ihr fremden Land, mit neuer Identität, mit Adoptiveltern, die 'ihr Kind' nach ihren Vorstellungen erziehen wollten, die neue Sprache, die sie erlernen musste - all dies stellte Evelina vor große Herausforderungen. Wie sie dies meistert, wie sie ihr neuen Leben einrichtet und lebt und dabei doch nie ihre geliebte Heimatstadt Prag vergisst, - all dies erfahren wir aus diesem spannenden und ungewöhnlichen Lebenslauf auf 144 Seiten.

Foto: Evelina mit ihrem Mann Sioma Naimark. ©Privatbesitz Evelina Merová

Sehnsuchtsort Prag

Viele Jahre war die geliebte Heimatstadt Prag für Evelina Kristallisationspunkt ihrer Hoffnung und Sehnsucht, aber auch Synonym für all das, was sie, die als einzige aus ihrer Familie den Holocaust überlebte, verloren hat.

Nach dem Tod ihres Mannes und der Übersiedlung ihres Sohnes Viktor Naimark nach Frankfurt a.M. kam sie 1995 in ihre alte Heimat zurück.  Viele Jahre pendelte sie zwischen den drei Städten, besuchte regelmäßig ihre Tochter in St. Petersburg und ihren Sohn in Frankfurt a.M.  Heute hat sie ihren festen Wohnsitz in Prag. Sie ist 90 Jahre alt. Foto © Hannelore Brenner


Engagierte Zeitzeugin. Bundesverdienstkreuz

Für ihre Verdienste als engagierte Zeitzeugin - unzählige Male erzählte sie in den letzten 25 Jahren ihre Geschichte, Tausende von jungen Menschen lernten sie kennen -  erhielt Evelina Merová am 23.  Mai 2018 das Bundesverdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland.  Der Festakt fand in der Deutschen Botschaft in Prag statt. Die Deutsche Botschaft berichtete darüber. 


Foto: Evelina 2015 in Prag. Foto © Hannelore Brenner


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